Zauberlehrling bei HP 7

Jul 14

Anlässlich des heutigen Kinostarts von „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ ein kleiner Erfahrungsbericht aus meiner Zeit als Zauberlehrling.

„Wir garantieren Ihnen, dass Sie nach Ihrem Filmstudium im Taxi rechts sitzen und nicht vorne links“. Irgendwas muss falsch gelaufen sein: Jetzt sitze ich tatsächlich im Taxi vorne links. Nur gut, dass ich gerade in London bin und zu den Leavesden Film Studios gebracht werde. In dem Studiokomplex eine Stunde nördlich von London wird seit zehn Jahren „HP“ gedreht. Nach monatelangem Auf-Die-Nerven-Gehen habe ich mir ein kleines Praktikum erschleimt erarbeitet und bin jetzt so aufgeregt wie seit meiner Führerscheinprüfung nicht mehr.

Hagrids Hütte ist das Erste, was ich sehe. Der Schornstein ragt über dem Sichtschutz empor, der das Studiogelände umgibt. Wenn es wirklich noch Traumfabriken gibt, dann liegt sie genau vor mir.

„Das erste Mal bei uns?“ fragt mich der Pförtner. Ich nicke und versuche möglichst entspannt zu wirken. Ein Mann von UPS bringt ein Paket vorbei. An „Harry Potter“. Kein Absender. Der Pförtner raschelt daran, und weil es gar so nach Metall klingt, landet es im Müll.

Ein Fahrer holt mich ab und tuckert mit mir übers Gelände. So deutsch wie ich mittlerweile bin, schnalle ich mich an. Der Fahrer kriegt sich vor Lachen nicht mehr ein, deutet auf die Verkehrszeichen im Filmstudio: „max 5 mph“.

Das Studio hat irgendwas von einem Pferdestall. Flache Gebäude, viel Grün. Ich betrete die Kantine. Sie erinnert erinnert mich an eine Schulmensa. Unter den Tischplatten aus Glas liegen Fotos der Regisseure Chris Columbus, Alfonso Cuaron, Mike Newell. Ein ziemlicher Regie-Verscheiß …

Ein Wuschelkopf bringt mich ans Set. Die Wände sind chromakey-grün, in der Mitte steht ein Besen auf einem Hydraulikarm. „Das ist Emma“, sagt er mir.  Emma Watson. Darauf wär ich auch alleine gekommen. Sie trägt ihre Chill-Hose und lässt sich von einem Roboter-Arm durch die Luft wirbeln. Mein Chef zeigt mir anhand der Previz, wie die Szene später mal aussehen wird: Es gibt noch einiges zu tun.

Wie für einen Blockbuster üblich, drehen mehrere Regisseure gleichzeitig. Die Second Unit dreht Stunts und VFX; die Miniaturen-Unit Modellaufnahmen. Die First Unit ist für das große Drama zuständig.

Wo ich denn studiere, will mein Chef wissen. In München. „Schönen Gruß an Michael Ballhaus!“, ruft jemand von der Seite herbei. Es ist Eduardo Serra.

In der Mittagspause spendiert mir mein Chef eine kleine Führung. Am Trailer Park vorbei, geht‘s zum Ligusterweg. Wie ein kleines Kind blicke ich staunend nach oben, und knalle mit einem mächtigen — WUMMSS — gegen den Stahlträger von Privet Drive No 4. Ich verfluche ihn.

Am Hintereingang stapeln sich die Kulissen aus alten Filmen. Die Hand vom Gnom aus Film Nummer zwei ist ziemlich verknautscht und steckt im Pokal aus Film Nummer vier. Dann betrete ich den Großen Speisesaal. Er ist staubig, der Boden knarzt. Im letzten Teil der Heptalogie wird er kaum gebraucht. Daneben steht die größte Kulisse, die ich je gesehen habe: Ein Turm aus hundert, ach was Tausenden Stühlen! „Don‘t touch it“. Den Teufel werd ich tun.

Im Studio C wird eine besonders wichtige Szene geprobt. Harry soll versiebenfacht werden. Dabei kommt eine Motion-Control, eine Roboter-Kamera zum Einsatz.

Vor mir warten Studenten, die sich ihr Studium als Double finanzieren. Sie haben sich Post-Its angeklebt, auf denen „Mad-Eye Moody“ oder „Hermione“ steht. Eine junge Regieassistentin dirigiert die Doubles souverän. Sie erzählt mir von ihrer Zeit bei Star Wars und dass die Halle im Winter mächtig zieht.

Ein Assistent bringt mich in einem Golfauto ins Studio A. Endlich: die First Unit! Das Set ist sehr ruhig. Ich sehe auch gleich, warum: Daniel Radcliffe und Bonnie Wright küssen sich. „Hold it, Hold it“, ruft David Yates. Dann dürfen die beiden voneinander ablassen, gehen kaugimmikauend zum Catering und holen sich ein Käsebrot.

Wie das denn sei, wenn jetzt nach zehn Jahren die HP-Serie zu Ende geht? „Wir sind alle sehr traurig“, meint mein Chef. Die Kids sind im Studio groß geworden, und ein Leben ohne Harry Potter können sich viele gar nicht mehr vorstellen.

Naja, so ganz stimmt das nicht. Um Punkt 18.00 Uhr ist Schluss, denn heute spielt der FC Chelsea, und das ist dann eben doch wichtiger als ein Film …